Der Freiberufler (aus Teil 1) will einen Raum anmieten. Der Vermieter fordert 13 Euro Quadratmetermiete, der potentielle Mieter setzt dagegen und bietet 7 Euro, frei nach dem jüdischen Sprichwort
„Sagt er 12, meint er 10, will er haben 8, wird er wert sein 6, möcht ich geben 4, werd ich sagen 2“. Nach langem Feilschen wird man sich bei 10 Euro einig. Alles gut? Könnte man denken, aber
eine wirkliche Win-Win-Lösung kann durchaus noch vorteilhafter sein. Die beiden haben nämlich von Anfang an ausschließlich um den Preis gefeilscht statt sich über ihre gegenseitigen Interessen zu
verständigen (z.B. bald möglicher Einzug, Minimierung der Renovierungskosten, aber auch Hauswart-Regelung, Gartengestaltung, Hausverwaltung, Aufwertung des Mietobjektes…). Damit haben sie
sich die Chance verbaut, über das dritte und das vierte Prinzip der Harvard-Verhandlungsmethode den Kuchen zu vergrößern. Die beiden Prinzipien,
bieten nämlich die Chance, weitere „gewinnbringende“ Möglichkeiten und Ideen in die gemeinsame Vertrags-Partnerschaft mit einzubeziehen.
Das dritte Harvard-Prinzip verkörpert die Öffnung des Lösungshorizontes für weitere, bisher gar nicht angedachte Alternativen. Mit Kreativität soll man gemeinsam über den Tellerrand hinaus
schauen und zusammen mit dem Verhandlungspartner möglichst viele Handlungsoptionen suchen und ausdenken, die mit den gegenseitigen und gemeinsamen Interessen in Einklang gebracht werden
können.
Das vierte Harvard-Prinzip schließt dann mit dem Entscheidungsprozess an. Jetzt gilt es, gemeinsam neutrale und möglichst objektive Kriterien für die Entscheidungsfindung einzubeziehen, um
den Entscheidungsweg für alle Seiten nachvollziehbar zu machen – und damit fair zu gestalten. Dies können Marktvergleiche und andere Benchmarks, rechtliche Maßstäbe oder Sachverständigenmeinungen
bis hin zu ethischen Normen sein. Es müssen auch nicht alle mit den Bedürfnissen des Verhandlungspartners übereinstimmen, Hauptsache sie werden gegenseitig akzeptiert.
Ein Brainstorming, bevor Mieter und Vermieter sich endgültig mittels Handschlag auf einen faulen Kompromiss für die Miete einigen, könnte beiden also noch mehr bringen. Sie könnten sich über
weitere Interessen und Möglichkeiten austauschen. Beispielsweise können Sie die Bereitschaft des Mieters, die Renovierungsarbeiten selbst zu übernehmen, einbeziehen und weitere kreative
Vereinbarungen ausgehend von ihren gegenseitigen Interessen ausloten: möglicherweise ist der Vermieter bereit, einen Teil der Miete gegen Dienstleistungen des Freiberuflers zu erlassen, so etwa
die Pflege des Gartens, die Übernahme von Teilen der Hausmeisterfunktion oder sogar die Gestaltung und Unterhaltung der Webseite des Vermieters. Darüber hinaus könnten die Verhandlungspartner den
Mietpreis auf der Basis sachlicher Kriterien, etwa auf Grundlage des Mietspiegels der Gemeinde diskutieren und damit ein objektives Kriterium als Benchmark einbeziehen.
Wenn über Positionen hinaus weiche Faktoren, also Bedürfnisse und Interessen der Parteien, kreativ in sachliche Verhandlungen einbezogen werden, vergrößert sich der Kuchen von selbst und
Vereinbarungen werden zu wirklichen Win-Win-Lösungen. Und wenn die Entscheidungskriterien für die gefundene Einigung objektiv und von allen akzeptiert sind, werden Vereinbarungen als fair
empfunden und keiner fühlt sich über den Tisch gezogen.
Mit dem Harvard-Modell erreichten seit Anfang der 80er-Jahre unzählige Konfliktparteien konstruktive, friedliche Einigungen mit größtmöglichem beidseitigem Nutzen (Win-Win-Lösungen) bei denen
auch die Beziehung der Verhandlungspartner intakt blieb.
Hanspeter Lanz
Wirtschaftsmediator (IHK)
Landgrafenstrasse 35
60486 Frankfurt am Main
Telefon: 069 - 91 50 15 70
E-Mail: hanspeter.lanz@Mediationsbüro-Frankfurt.de
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Diese Klausel gehört in jeden Vertrag!
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